Emotional unerreichbarer Ehemann

Mein Mann ist seit einem Jahr trocken. Er hat es bis hierher alleine geschafft, ohne professionelle Unterstützung.
Ich selbst habe immer wenig und selten Alkohol getrunken, seit dem er trocken ist, trinke ich auch überhaupt nichts mehr.

Jedenfalls, seitdem er nicht mehr trinkt, kommen keine Emotionen seinerseits ans Tageslicht. Es war so auch schon nicht sein Thema, aber der Alkohol half, dass er auch über seine Gedanken geredet hat.

Diese Kälte macht mich kaputt.
Er sagt, er kann über sowas nicht reden....naja, am Anfang unserer Beziehung ging es auch, auch ohne Alkohol....

Ich weiß langsam nicht mehr weiter. Ich fühle mich allein gelassen.
Es ehrt ihn, dass er ganz alleine klarkommt, und mich nicht wirklich braucht zum Leben. Aber ich kann das nicht mehr. Ich bekomme weder Lob, noch Anerkennung, noch Komplimente, noch ein wörtliches Ich liebe dich, keine Zärtlichkeiten im Alltag nüscht. Was bin ich denn für ihn?
Mindestens einmal im Monat gibt es Streit deswegen.
Er sagt, er gibt sich doch Mühe und möchte auch an sich arbeiten. Aber es passiert nichts.
Ich Frage so oft, was ich ändern oder tun kann. Dann sagt er, gar nichts.
Es gibt seit zwei Jahren keine Paarzeit. Wir haben drei Kinder. Ab 7 Jahren aufwärts...

Ich will mich nicht mehr verletzen lassen.

Paarberatung habe ich schon angefragt, werde es besprechen heute mit ihm.
Er kritisiert auch nichts an mir. Nie! Nur ab und an, dass ich ihn falsch verstehe. Das sagt er mir, bei kleinen Meinungsverschiedenheiten.

Er ist teilweise wie eine weiße Wand...er reagiert nur, er agiert nicht.

Kennt ihr das? Wir sind 8 Jahre zusammen, 5 verheiratet.

1

Puh. Das klingt sehr hart.

Ich würde behaupten, dass er dringend professionelle Unterstützung braucht. Klar, ist es eine Leistung alleine trocken zu werden. Aber man wird ja nicht ohne Grund Alkoholiker. Da muss es ja irgendeine Ursache/einen Grund für geben, dass es so weit gekommen ist.
Vielleicht holt ihn dieser Grund jetzt wieder ein und dadurch muss er sich emotional abkapseln, um nicht wieder dem Alkohol (oder einer anderen Sucht) zu verfallen. Also als reiner Selbstschutz.

Eine Paarberatung ist bestimmt ein guter erster Schritt, aber ich befürchte, dass das für ihn nicht reichen wird. Er muss da wahrscheinlich ganz viel alleine an sich arbeiten und aufarbeiten.
Wäre er dazu denn bereit? Habt ihr darüber mal gesprochen?

Dir bleibt auf lange Sicht nur zu entscheiden, ob du damit leben kannst oder unter welchen Bedingungen (wie z.B. eine Therapie).

Alles gute 🍀

2

Ich danke dir für deine lieben Worte!

Es ist bestimmt schwer für ihn.
Er trinkt, bzw. trank, so denke ich, weil er so "groß" geworden ist. Er ist 53 Jahre alt. Zu damaligen Zeiten war Alkohol Gang und gebe. Er war Baufacharbeiter...und ist dementsprechend so herangewachsen. Morgens auf dem Bau gab es zum Frühstück Bockwurst und Bier 🍺
Meine ganze Familie und Bekannte in seinem Alter, leben weiterhin so wie zu den "guten alten Zeiten"
Rauchen saufen Wochenende Spaß und Party.

Er ist ein spezieller und eigensinniger Mensch, ich auch, deswegen verstehen wir uns eigentlich blind. Nur oft kann ich ihn nicht sehen, da er nicht gesehen werden möchte.

4

Hmmm…ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber denkst du nicht, dass ihr es euch da evtl. ein bisschen zu einfach macht mit der Erklärung?
Irgendwann muss dieser Punkt von „gesellschaftlichem“ trinken zu Alkoholiker ja überschritten worden sein.
Du schreibst selber, dass die anderen noch so leben wie dein Mann früher, aber ja offensichtlich ohne dem Alkoholismus verfallen zu sein.
Da sollte er definitiv genauer hinschauen wann und warum aus dem „viel“ ein „Zuviel“ und dann eine Sucht wurde.

Das alles musst du hier auch garnicht erläutern. Aber vielleicht ist das auch etwas, das du mal in der Paarberatung ansprechen kannst. Evtl. würde es dir auch helfen eine Therapie zu machen, um das Thema aufzuarbeiten und herauszufinden wie du mit deinem „neuen“ Partner klarkommen kannst.

3

Hallo Whatcanido,

Weshalb könnte dein Ehemann nach einem Jahr Trockenheit emotional für dich unerreichbar sein? Ein Teil der Antwort liegt schon in deinem Satz, während seiner nassen Zeit habe ihm der Alkohol geholfen, über seine Gedanken und Gefühle zu reden.
Ich fürchte fast - ich bin selbst trockener Alkoholiker - dein Mann könnte innerlich auf ähnliche Gedanken wie du kommen. Der trügerische, verlockende Gedanke - gewürzt mit ordentlich Selbstmitleid - "mit Alkohol habe ich mich besser gefühlt als jetzt, wo ich doch trocken bin....", diese Gedanken kenne ich auch aus der Anfangszeit meiner Trockenheit.
Dein Mann hat es bislang alleine geschafft, trocken zu werden und einige Zeit trocken zu bleiben. Nimmst du ihn in seiner Art jetzt in einer gewissen Verbitterung und Selbstisoliertheit wahr? Hast du den Eindruck, er kämpft um seine Trockenheit und ist innerlich unzufrieden?

Für mich klingt das danach, dein Mann ist zwar derzeit trocken, er scheint aber eine Blockade zu haben, sich mit seiner Suchtpersönlichkeit und den damit verbundenen Gedanken- und Gefühlsstörungen auseinanderzusetzen. Weil er natürlich ahnt und fürchtet, die Antworten, die kommen werden, werden ihm nicht gefallen und Schmerzen bereiten, bevor es besser werden kann.
Es gibt für ihn nach meiner Meinung nur eine Möglichkeit, aus seinem Loch und seiner Selbstblockade herauszukommen, und das ist der Weg der Selbstreflektion. Des eigenen Hinterfragens. Dann stellen sich meist auch langsame Veränderungen in der eigenen Gefühlswelt und im Verhalten ein.

Ich sehe da mehrere praktische Möglichkeiten für euch.
Eine Paarberatung, wie du sie vorschlägst, wird nach meinem Erachten bei einer Suchtkonstellation nichts bringen, da Paartherapeuten oft keinerlei Ahnung von Suchtpersönlichkeiten haben und möglicherweise sogar "gefährliche" Ratschläge geben könnten.
Für dich wäre es einen Versuch wert, zu einer Selbsthilfegruppe von Angehörigen zu gehen, das ist insbesondere bei Al-Anon und bei den "offenen" AA-Meetings auch online über Zoom möglich (teilweise auch bei Blauem Kreuz und Kreuzbund). Neben den Meetings kannst du dir dort auch eine "Sponsorin", d.h. eine erfahrene Mentorin suchen, die dich auf deinem Weg begleiten kann.

Denkbar ist für deinen Mann ist sicherlich eine Psychotherapie, wenn er nicht davor zurückscheut.
Das Reden und Teilen über seine Vergangenheit (oft sehr schambehaftet) und seine Gefühle kann er in Selbsthilfegruppen lernen und so versuchen, ein neues emotionales Leben zu beginnen. Nicht wenige trockene Alkoholiker sind den Weg der Therapie und Selbsthilfe gleichzeitig gegangen.

Mir persönlich haben meine Selbsthilfegruppen zu einem neuen Leben verholfen, aber mein Weg war durchaus holprig und steinig. Auch die Teilnahme z.B. an den AA-Meetings ist mittlerweile, insbesondere wenn kein Meeting vor Ort verfügbar oder passend ist, online über Zoom möglich.
Nicht zu vergessen: Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen reduziert die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen!

Bearbeitet von Christoph61
5

Lieber Christoph61,

ich danke dir für deine ehrliche Antwort!
Dass du so offen damit umgehst ist eine sehr große Stärke!

Alles was du beschreibst, ist mir sogar bewusst.
Mein ganzes Leben habe ich mit Suchtkranken zu tun.
Meine Mutter ist Alkoholikerin.
Ich habe schon sehr sehr viel durch was dieses Thema betrifft und bin daher ziemlich abgeklärt.

Er würde niemals zu den AA gehen, oder eine Therapie machen. Das hat er letztes Jahr, als ich es ihm mehrfach ans Herz gelegt habe, absolut abgelehnt.
Er scheut mir gegenüber jede Art von tiefergehender Kommunikation.
Ich bin derzeit überfordert mit ihm.
Wenn ich ihm eine Therapie ans Herz legen, würde er es nicht machen. Wir drehen uns im Kreis dadurch.

9

Mich beeindruckt, was du schreibst, liebe TE und auch, was du geschrieben bekommst, besonders auch die ehrliche Antwort von Christoph.

Ich hoffe, Du kannst für dich Gutes aus den Antworten ziehen.

Was ich dir ans Herz legen möchte: deinen Wert bzw. dein Wertgefühl noch aus anderen Quellen zu speisen. Also durch Menschen, die das schätzen, was du geben kannst.
Und auch einfach dich selbst zu schätzen. 💝
Und - noch eins: er schätzt dich sicher sehr! Dass du bei ihm geblieben bist, ist Ausdruck deiner Liebe.

Ein Partner kann nicht und nie alles geben, was ein Mensch braucht.
Für dich besonders schmerzlich, weil du schon mit einer alkoholkranken Mutter aufgewachsen bist.
Du kannst aber auch auf andere Dinge aufmerksam werden, die Saiten bei dir zum Schwingen bringen, die er auch davor nicht zum Schwingen bringen konnte. Wer weiß ... Auch für dich hat sich manches verändert und wird bzw. kann sich noch etwas Neues ergeben.

Sorge gut für dich! Und damit meine ich nicht platte Tipps, sondern: herausfinden, was es für dich sein kann, was dir Freude macht. Und auch sehen, wie er jetzt vielleicht doch seine Wertschätzung ausdrückt.

Ihr beide habt sehr sehr viel geschafft!
Er allein und aus eigener Kraft trocken zu werden. Und du bist immer an seiner Seite geblieben und bist seinen Weg mitgegangen. Zurück möchtest du nicht mehr, denke ich.

Er möchte "richtig" verstanden werden, wenn ich dein Eingangspost nochmal aufgreife. Also ist schon eine Sehnsucht da bei ihm. Und auch die Wertschätzung dir gegenüber.
Er findet sich wohl tatsächlich auch einer anderen Person gegenüber - mit sich selbst und auch dich wird er seither anders wahrnehmen. Und Worte finden, emotionale Worte - nicht einfach.

Ein Austausch mit anderen Betroffenen, also Angehörigen-Gruppe könnte wirklich was sein für dich.
Die anderen Tipps will ich mir selbst noch ansehen.

Und noch eins: Was war früher eure Paarzeit? Könntet ihr das wieder aufgreifen?

Und wie war das Gespräch, was du wegen Paarberatung mit ihm führen wolltest?
Es gibt da viele Möglichkeiten.
Kommt drauf an, was Passendes für euch zu finden.
Oder mal etwas ganz anderes zusammen machen, körperbetont (Tanz, Sport) für beide neu?

Meinen Respekt für euch beide! Und hier ganz besonders für dich und beste Wünsche!

6

Dass Dein Mann das so ganz alleine geschafft hat, ist echt eine tolle Leistung!
Aber die Gefahr besteht tatsächlich, dass sich solche "positiven" Gedanken über den Konsum einschleichen und damit einen Rückfall wahrscheinlicher machen.
Da hilft wirklich reden und sich mit anderen Betroffenen austauschen.
Dass er keine Lust auf AA Meetings hat, kann ich nachvollziehen. Das Thema Alkoholabhängigkeit ist ja auch immer noch so schambehaftet. Und auch wenn man es geschafft hat, dem Teufelskreis zu entkommen, ist die Hürde, öffentlich dazu zu stehen, leider immer noch groß.
Dabei hat Dein Mann etwas großes geschafft, worauf er richtig stolz sein kann!
Ich kann ihm und Dir empfehlen, mal nach Nathalie Stüben zu googeln.
Dort bekommt man interessante Fakten zum Thema Alkoholsucht. Auch darüber, wie Alkoholkonsum zB. die Persönlichkeit verändert.
Und es gibt tolle Podcasts mit Experten und Betroffenen.
Ganz besonders empfehlenswert ist ihr Youtube Kanal. Da gibt es eine Reihe "Gesichter hinter der Sucht".
Das kann man alles kostenlos und anonym von zuhause aus machen.
Alles Gute euch!

7

Hm, auch wenn du geschrieben hast, das es früher ohne Alkhol ging....ich bin mir da nicht so sicher. Bist du es dir 100%ig?


Für mich ist es einfach ein Fakt, das du dich damals eben in seine Maske verliebt hast, jetzt hat er sie mit dem Entzug komplett abgenommen. Er wird ja auch nicht grundlos eine aufgesetzt haben....also den Alkohol genutzt haben, um sich zu maskieren.

Hinter jeder Suchtproblematik steckt eben auch ein anderes, tieferes Problem. Gerade der Alkohol dient am Anfang ja der eigenen Lockerung.

Dann lese ich, das ihr 8 Jahre zusammen seit, das älteste Kind ü7 ist....trinkt er denn auch schon so lange? Oder kannst du ausschließen,d as er es am Anfang heimlich gemacht hat? Ihr hatte ja eigentlich gar keine Chance euch erst mal richtig kennen zu lernen.

Eigentlich sagst du ja aus, das du den Mann mit der Alkoholmaske geliebt hast...der war eben zugänglicher. Aber mit seinem wahren "ich" kannst du jetzt nichts anfangen....ist ja auch schwierig.

Schlußendlich kann es auch einfach daran liegen, das ihr den Schnellstart eben nicht üebrstanden habt.

Und über diesen Satz "....und mich nicht wirklich braucht zum Leben." würde ich an deienr Stelle noch mal ganz in Ruhe nachdenken. Mich erschreckt er ein wenig. Nicht, das das ein Problem deinerseits ist, was du ihm hier aufdrückst.

Bearbeitet von Butterstulle
8

Ihr habt drei Kinder "ab sieben Jahren aufwärts", aber seid "erst" seit acht Jahren zusammen?