Kommunikationssperre

Ich versuche es kurz und knapp. Das Posting könnte auch in Trauer und Trost stehen, jedoch geht es mir um den freundschaftlichen Aspekt.

Ich habe 2 liebe Freundinnen aus Schulzeiten, leben weit auseinander, aber alle paar Tage herzlicher Kontakt. Wirklich meine besten Freundinnen. Namen geändert.

Helga hat einen Sohn der 3 Jahre alt ist.

Maria's Sohn ist ganz frisch 3 Wochen alt.

Helgas Sohn wird sterben. Bald. Plötzlich Hirntumor, davor gesund und froh, nix zu machen, das bestätigen auch die 2., 3. und 4. Meinung quer durch Europa. Er darf zuhause sein, es gibt Schokolade zum Frühstück ... naja, ihr wisst was ich meine.

Maria weiß das nicht. Sie war eine sehr nervöse Schwangere, ich bin mit Helga übereingekommen, es ihr nicht zu sagen, damit sie nicht zu viel Stress auf die letzten Tage der Schwangerschaft hat - das Extremfrühchen eines weiteren Freundes von uns hat ihrem Blutdruck sehr geschadet. Sehr sehr, sie war wochenlang wie ein aufgescheuchtes Hühnchen. Ich habe auch den gröbsten Stress von Helga abgefangen, zugehört, mitgeweint, hab mich ins Flugzeug gesetzt und war ein Wochenende dort. Es ist herzzerreißend - und ich gehe am Zahnfleisch, denn da ist ja auch noch mein eigenes Kind, Solo-Mutterschaft, Job, Winter-Depri,... zusätzlich die kleinen (sehr normalen!) Sorgen einer frischgebackenen Maria, die einen Schnupfen mit Cholera verwechselt. Ich mache ihr keinen Vorwurf, am Anfang sind wir alle so hirnlos.

Das Problem das sich mir stellt ist, dass Maria super pissig ist, weil Helga ihr nicht überschwänglich genug gratuliert hat und angemessen verliebt um sie herumscharwenzelt. Ich habe ihr gesagt es wäre gerade viel los in ihrem Leben, sie hätte wohl gerade keinen Kopf dafür. Unverständnis.

Es ist wahrscheinlich an der Zeit, das Mysterium aufzulösen, aber irgendwas in mir sträubt sich. Maria wird nämlich den Teufel an die Wand malen und noch hypochondrischer agieren als bisher schon. Das werde dann wohl ich abfangen müssen. Mal abgesehen davon, dass das wohl die Einhorn-Babyblase zum platzen bringen wird.

Wie überbringt man so eine schlechte Nachricht an jemanden, der unfassbar leicht gestresst wird? Ich merke nur dass ICH an meine Grenzen komme und dieses Lügenkonstrukt nicht mehr aufrecht erhalten kann. Ich bin richtig erschöpft. Helga kann nicht drüber sprechen, sie meint es fällt ihr schwer ein sachliches Gespräch zu diesem Thema zu führen. Ich würde ihr gern diese Bürde abnehmen, weiß aber nicht wie.

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Ich denke, es wäre dann an der Zeit, liebevoll, aber ernsthaft mit Maria zu sprechen und ihr zu sagen, dass sie dazu neigt, zu übertreiben. Ehrlicherweise würde ich ihr dann auch sagen, dass Helga eben wegen jener Übertreiberei nichts gesagt hat, sich nicht mal an sie wenden konnte und das mit sich selbst und dir ausmachen musste.

Manchmal darf man Leuten auch einfach mal stecken, wenn sie drüber sind. Und das ist jetzt gerade der Fall. Maria hat ein gesundes Kind. Helga nicht. HELGA ist diejenige, welche jetzt Aufmerksamkeit braucht und Zuspruch. Nicht Maria mit ihrer Hypochondrie. Diese muss man nicht noch füttern. :)

Natürlich alles im passenden Wortlaut, dennoch würd ich hier ehrlich sagen, was los ist und wie ihre Panik dazu beigetragen hat, dass die Situation nun eben ist, wie sie ist.

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Das ist das Leben.
Dinge passieren. Auch schlimme.
Und jeden kann es treffen.

Ich würde es Maria nun auch mitteilen.
Es bringt nichts, sie jetzt schonen zu wollen.
Man kann es einfach nicht harmlos darstellen.
Kinder können krank werden und sterben.
Aber Helga hat jetzt in dieser Situation eure Anteilnahme verdient.
Es kann gut sein, dass sich die Freundschaft zwischen Helga und Maria an diesem Punkt nun trennt, weil Maria vielleicht nicht mit der Last umgehen kann.
Aber das ist nicht deine Verantwortung.

Ich wünsche dir, dass du auch weiterhin für deine Freundinnen da sein kannst und ihnen Gutes tun kannst.
Aber denk auch an dich und sorge gut für dich.
Traurig sein ist wahnsinnig anstrengend.

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Meine Meinung: Maria ist eine erwachsene Frau. Ihr habt nicht zu entscheiden, mit welchen Themen sie umgehen kann und mit welchen nicht. An Stelle von Maria wäre ich sehr wütend, würde ich erfahren dass man mir SO ETWAS nicht gesagt hat. Worst Case schreibt sie Helga eine bitterböse Nachricht, wie enttäuscht sie von ihr ist, dass sie sich als gute Freundin auch mal für sie freuen dürfte etc pp. Was denkst du wie sich Maria dann vorkommt, wenn sie die Wahrheit erfährt? Sag es ihr, schnellstmöglich. So kann sie wenigstens auch noch für Helga da sein. Diese Chance nehmt ihr Maria, wenn ihr es ihr nicht sagt.

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Ich finde es auch unglaublich schwierig, dass ihr es ihr nicht gesagt habt, grad wenn man so gut befreundet ist, dass man sich alle paar Tage hört/liest.
Ich verstehe, warum es passiert ist (am Anfang auch um sie in der vbl Schwangerschaft schützen, dann immer mehr auch um Helga zu schützen), aber es ändert halt gerade nichts an der Tatsache, dass Maria die Chance genommen worden ist, angemessen zu reagieren. Ich schätze, all die kleinen und für sie gerade großen Sorgen hättet ihr ohne diese unendlich belastende Situation einfach abgetan als "besorgte Erstmami halt" und man hätte sich vielleicht auch gedacht, dass es manchmal etwas drüber ist, aber das wars dann auch schon. Jetzt aber wird das ganze zwangsläufig immerzu (und vor allem ohne, dass sie es weiß!) in Relation gesetzt zu dieser sehr tragischen Geschichte, die gerade der anderen Freundin, Helga passiert und sie wird immer mehr zu der Person, die sich absolut unpassend verhält. Ohne das aber auch nur ahnen zu können.
"Gerade viel los" ist ja auch nicht schlüssig, ein "Helga geht es seit einiger Zeit wirklich gar nicht gut, es ist ein sehr ernstes Thema, sie wollte dich aber nicht damit belasten" wäre schon mal ein Ansatz gewesen. Man kann auch sagen, dass ihr Sohn schwer krank ist und die Prognosen schlecht. Und dass sie jetzt Unterstützung braucht. Glaubt ihr wirklich, wenn Maria erfahren wird, dass Helgas Sohn stirbt, sie dann weiterhin - wie ihr es wahrnehmen müsst - "ich-bezogen panisch" bleibt? Vielleicht in einem Punkt wird sie noch kurz ich-bezogen sein: wenn sie sich darüber Gedanken macht, wie furchtbar es ist, dass sie ihren ganzen banalen Stuff so unbefangen und gedankenlos mit euch geteilt hat. Und dann wird sie wohl innehalten und sich auf das Wesentliche konzentrieren und versuchen, Helga eine gute Freundin zu sein, so gut das halt möglich ist in so einer Situation. Denn faktisch gibt es nichts, was einen Ausgleich schaffen kann. Es ist einfach wohl das Schlimmste, was passieren kann, das eigene Kind sterben zu sehen. Und manche sind da auch absolut sprachlos. Und überfordert damit. Auch das ist okay, sollte es Maria so gehen. Sie wird ihr Bestes geben. So würde ich es einschätzen.

Bearbeitet von apfelsaftnaturtrueb
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Niemand hat davon gesprochen dass sie sich unpassend verhält, das hat sie nämlich nicht. Sie hatte nur mir gegenüber im Vertrauen Unverständnis geäußert, dass Helga sehr uninteressiert an ihrem Baby ist und das sie sich ja auch für und mit uns gefreut hatte als wir jeweils Mütter wurden - stimmt ja auch durchaus.

Die Katze ist aus dem Sack, jedenfalls. Ich habe ihr gesagt wie es um den Jungen steht, sie war natürlich bestürzt, konnte jedoch sehr gut nachvollziehen warum wir es ihr bisher erspart haben. Es ist ja nicht so, als wüsste sie nicht selber, dass ihr Hirn gerade verrückt spielt - und ich habs ihr sicher nicht aufs Auge gedrückt. Wie gesagt , wir waren alle am Anfang hirnlos, das gibt sich. Sie tut was sie kann, Viel mehr außer zuhören geht gerade mit einem neugeborenen eh nicht und soweit ich höre, meldet sie sich täglich bei Helga.

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