Suche „Leidensgenossen“

Hallo zusammen,
Ich habe diesen Beitrag auf Eltern.de gelesen (https://www.eltern.de/kleinkind/erziehung/aggression/mein-sohn-der-kita-schreck)
und würde gerne auf diesem Weg erfahren, ob die im Beitrag genannte Mama hier im Forum ist. Ich habe nämlich einen ganz ähnlichen Fall mit meinem Sohn. Es liest sich teilweise 1:1 wie bei uns zu Hause und mir wäre sehr an einem Austausch gelegen. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Dame oder auch gerne jemand, dem es ähnlich geht, sich bei mir meldet. „Leidensgenosse“ aus der Überschrift ist natürlich nur mit einem Augenzwinkern gemeint ;) Ich wusste nicht, wie ich meine Frage sonst nennen sollte.
Vielen Dank schon mal und ich freue mich über jeden Austausch von Erfahrungen!

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Kinder, die in dem Alter beissen, gibt es wirklich zuhauf. Mein Sohn wurde regelmässig in der Kita von zwei anderen Kindern gebissen, auch im Gesicht, auch ein Mal bis aufs Blut. Klar, hat es mich innerlich zerrissen, aber nie im Leben hätte ich den anderen Eltern oder gar dem Kind die Schuld gegeben, oder Kontakt abgebrochen (die zwei sind bis heute unter seinen besten Freunden). Wenn das Kind sogar unter 2 ist, würde ich es gar nicht als Aggression buchen, den Kindern ist das schliesslich gar nicht bewusst, dass sie anderen wehtun.

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Wie alt ist denn dein Kind?
Es gibt wirklich viele Kleinkinder die sich so verhalten. Mein Sohn gehörte auch dazu.

Nicht mit Beißen aber Schubsen, Kratzen und Kneifen (vor allem ins Gesicht und in die Augen). Ich war irgendwann absolut verzweifelt, ich fragte mich was ich bloß falsch mache und egal wie sehr ich aufpassen, ich konnte es nicht verhindern. Da spielte er friedlich und ZACK wurde ein anderes Kind angegriffen, aus heiteren Himmel. Nichts half, kein Schimpfen, keine Konsequenzen, kein Erklären...

Irgendwann wurde ich sehr einsam. Klar wollte so niemand mehr gern etwas mit uns unternehmen und bis auf eine ganz enge Freundin mit Kind wurden wir gemieden. Nach einem tränenreichen Eklat, bei dem eine andere Mutter aus der Spielgruppe auf mich losging, sind wir mehr oder weniger aus der Spielgruppe geflogen. Irgendwann habe ich mich auch selbst isoliert, bin z.B nicht mehr auf den Spielplatz gegangen wenn gerade viele Kinder da waren; so Dinge wie Hüpfburg, Hallenbad oder Indoor-Spielplatz wo viele Kinder sind waren eh komplett undenkbar. Es war eine einsame (und verzweifelte) Zeit.

Aber ich kann dir trotzdem Mut machen. Kein Kleinkind ist böse, kein Kleinkind will jemanden absichtlich oder aus Grausamkeit verletzen. Für die Kinder hat es immer einen guten Grund. Hier würde ich ansetzen. In welchen Situationen passiert das? Ist es eine ungeschickte Form der Kontaktaufnahme? Ist er schnell reizüberflutet und ist ihm dann alles zu viel? Mag er einfach lieber allein Spielen und verteidigt seinen SafeSpace um sich herum? Will er toben und weiß nicht wie viel Kraft er hat? Weiß er sich nicht anders zu helfen, wenn er z.b ein bestimmtes Spielzeug haben möchte? Hier kannst du ansetzen und einfach immer eng dabei bleiben, verhindern dass jemand verletzt wird und Alternativen vormachen (z.b. Winken zum Hallo sagen, was zum tauschen anbieten, an einen ruhigen Ort gehen...). Meist wird es um den dritten Geburtstag herum besser.

Bei uns war die Lösung übrigens eine Brille. Mein Sohn hat eine ausgeprägte Sehschwäche (er sieht auf die Nähe nichts und hat kein räumliches Sehen; auf einem Auge hat er unter 10% Sehleistung). Als er die Brille bekam, waren diese unvermittelten Angriffe plötzlich weg. Eigentlich nur logisch, wenn man nichts sehen kann fühlt man sich schnell bedroht und hat lieber einen sicheren Platz um sich herum, und im Zweifel ist Angriff die Beste Verteidigung. Dass ich da nicht vorher drauf gekommen bin 🙈

Er ist jetzt 4,5 und ein ganz normales Kindergartenkind, in die Gruppe integriert, hat Freunde. Man kann ihn beim Spielen mit anderen Kindern aus den Augen lassen, vor 2 Jahren undenkbar. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es käme nie zu körperlichen Auseinandersetzungen. Aber auch dann hat es Gründe - er explodiert z.b. wahnsinnig schnell wenn er verbal geärgert wird oder im Streit um irgendein Spielzeug fliegen auch mal die Fetzen - aber es verwächst sich und dieses "aus heiteren Himmel" ist wie gesagt seit der Brille passee.

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Hallo in die Runde,
Mein Sohn ist aktuell noch nicht ganz 2,5 Jahre und Einzelkind. Angefangen hat das ganze im Prinzip kurz nachdem er in den Kindergarten gekommen ist (da war er 1 Jahr alt). Eigentlich „nur“ mit Haare ziehen. Das war so sein „Ding“. Dann sind nach und nach weitere Verhaltensweisen dazu gekommen, die er sich teils im Kiga abgeschaut hat (Beißen, Hauen, Schubsen und neuerdings Würgen). Oft genauso wie du schreibst „aus heiterem Himmel“. Manchmal/seltener auch bei uns Eltern oder bei den Großeltern, aber viel öfter bei gleichaltrigen/Kindern. Ich vermute ja stark, dass er so versucht zu kommunizieren. Er ist Late Talker, spricht aktuell noch keine 40 Wörter, wohl auch weil er durch unbemerkte Paukenergüsse im Alter zwischen 1-2 Jahren teils nicht gut hören konnte. Jetzt hat er seit Ende Januar Röhrchen im Trommelfell. Logopädie können wir laut Arzt aber leider erst ab 3 Jahren anstoßen und sollten noch abwarten, ob sich die sprachliche Verzögerung von selbst behebt. Auch einen Besuch beim SPZ haben wir schon hinter uns, wo auch vermutet wurde, dass das Verhalten an der sprachlichen Verzögerung liegt und wir mal noch abwarten sollten. Wir stehen außerdem auf der Warteliste der Frühförderstelle und haben einen Integrationsantrag für eine spezielle i-Fachkraft im Kiga bewilligt bekommen, der zwar seit Januar hätte laufen können, aber man findet keine Bewerber, um die Stelle zu besetzen. Zusätzlich sind wir in verhaltenspsychologischer Therapie, hauptsächlich zur Elternberatung, um besser mit seinem Verhalten umgehen zu können. Wenn man seine Interaktion mit anderen Kindern begleitet, klappt es nämlich deutlich besser (nicht hundertprozentig, aber doch so, dass wir an einer Musik-Spiel-Gruppe teilnehmen können und auch auf den Spielplatz usw. gehen können)
Im Kiga sind sie mittlerweile leider weniger verständnisvoll. Er wurde vor Weihnachten bereits 2 Wochen suspendiert. Vergangene Woche gab es wieder einen Vorfall mit Würgen und nun darf er vorerst gar nicht mehr in die Kita. Es sind übrigens 3 Erzieher und nur 8 Kinder in der Gruppe und trotzdem bekommen sie es nicht unter Kontrolle wie sie sagen…

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…sorry der Text wurde so lang.
Ich schreibe jetzt hier mal weiter ;)
Mich würde interessieren, wie bei euch (oder anderen LeserInnen) der Kindergarten in solchen Situationen reagiert/reagiert hat. Mir ist bewusst, dass es auch darum geht die anderen Kinder zu schützen, keine Frage. Aber ich habe das Gefühl, dass man die andere Seite (also unseren Sohn) dabei völlig außer Acht lässt und ihm böswilliges Verhalten unterstellt. Er geht bzw. ging übrigens gern in den Kindergarten, ist sehr aufgeweckt, ein Wildfang würde man wohl sagen, lacht viel, ist sehr gerne draußen, klettert viel, ist motorisch schon sehr weit und macht ansonsten alles im Prinzip so wie andere Kleinkinder in dem Alter. Deswegen hat mich der besagte Artikel auch so angesprochen. Niemand aus unserem Umfeld, der ihn kennt, würde glauben wie er sich manchmal gegenüber anderen Kindern verhält.
Zu guter Letzt wollte ich noch berichten, dass der Kiga uns beim Jugendamt angezeigt hat, weil sie der Meinung sind, dass das Verhalten nur durch ein Trauma im Elternhaus zustande gekommen sein kann. Das macht mich total fassungslos und auch ein stück weit wütend. Wir machen so viel und sind so proaktiv an der „Problematik“ dran, das ich das einfach nur als unfair empfinde. Ich wüsste nicht, was wir sonst noch machen könnten und wahrscheinlich gibt es Phasen, wo man einfach nur abwarten kann. Eben zum Beispiel bis zum dritten Geburtstag und einer eventuellen Logopädie.
Mittlerweile denke ich, dass wir uns vielleicht auch nach einer Tagesmutter umschauen werden, um zu sehen, ob es da vielleicht besser klappt. Ich bin halbtags berufstätig. Mein Mann im Schichtdienst. Momentan teilen wir uns die Kinderbetreung auf.

Lange Rede kurzer Sinn: mich interessiert, wie eure Kigas /euer Umfeld so auf solches Verhalten reagiert hat.
Danke für eure Antworten und danke fürs Lesen!!

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